Design Systeme haben still und heimlich eine neue Ära für digitale Produkte und Webauftritte eingeläutet. Ursprünglich vor allem von weltweit agierenden Großunternehmen wie Google und Audi etabliert, sind sie heute längst nicht mehr nur den Marktführern vorbehalten. Stattdessen zählen sie zu einem zentralen Trend im Webdesign, der Unternehmen jeder Größe dabei unterstützt, ein konsistentes und starkes Branding zu realisieren. Durch die Verbindung von Design und Code schaffen Design Systeme nicht nur visuelle Konsistenz, sondern optimieren auch Arbeitsabläufe und fördern die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Designern und Entwicklern – ein entscheidender Vorteil im digitalen Zeitalter.
Doch was ist ein Design System?
Ein Design System ist das Ergebnis eines strukturierten Prozesses, der mehrere wesentliche Bestandteile zu einem umfassenden Werk vereint. Es dient als Grundlage für die Gestaltung digitaler Produkte, indem es einheitliche visuelle Standards, Richtlinien und Vorgaben definiert – ähnlich einem Corporate Design Styleguide, geht aber weit darüber hinaus. Neben klassischen Styleguides umfasst ein Design System digitale Komponenten, komplexe Vorlagen und sogar Code-Snippets, die es ermöglichen, Design nahtlos mit technischer Umsetzung zu verbinden.
Durch diese Verbindung von Design und Code wird das gesamte Erscheinungsbild über verschiedene Plattformen hinweg gesteuert und optimiert. Arbeitsabläufe von Designern und Entwicklern werden harmonisiert, da das System klare Bezugsrahmen, professionelle Tools und standardisierte Prozesse bereitstellt. So trägt es entscheidend zur Reduktion von Redundanzen bei und schafft eine einheitliche Sprache sowie visuelle Konsistenz über alle Seiten und Kanäle hinweg – ein zentraler Baustein für ein starkes Branding und ein konsistentes Benutzererlebnis.
Warum sind Design Systeme heute wichtiger denn je?
In der heutigen digitalen Welt entstehen täglich unzählige neue Websites und Apps, die oft aus Hunderten oder sogar Tausenden einzelner Seiten bestehen. Das Branding eines Unternehmens oder einer Marke muss jedoch über sämtliche Sektionen, Seiten und Webauftritte hinweg einen klaren, wiedererkennbaren roten Faden aufweisen. Mit jeder neuen Sektion steigt das Risiko, dass diese Kohärenz verloren geht – eine Herausforderung, der sich viele Unternehmen stellen müssen.
Besonders dynamisch agierende Unternehmen, die entlang des gesamten Online-Marketing-Funnels präsent sind, laufen Gefahr, ein fragmentiertes Markenbild zu entwickeln. Ohne ein zentrales Design System gelingt es Konzernen oft nicht, den Markenauftritt ihrer Tochterunternehmen, die in unterschiedlichen Geschäftsfeldern tätig sind, harmonisch zu gestalten. Unterschiedliche Ansätze und wechselnde Teams, in denen Entscheidungsträger, Designer und Entwickler individuelle Ideen und Entwürfe einbringen, führen häufig zu einem Mosaik an Designs. Diese Vielfalt mag auf den ersten Blick ansprechend sein, verwässert jedoch das Gesamtbranding, beeinträchtigt das Benutzererlebnis und führt langfristig zu erhöhten Kosten durch redundante Neuentwicklungen. Genau hier setzen Design Systeme an, um Einheitlichkeit und konsistente Nutzererlebnisse zu gewährleisten.
Die Vorteile eines Design Systems
Design Systeme bieten Unternehmen zahlreiche Vorteile, die maßgeblich dazu beitragen, ein einheitliches Branding zu realisieren und die Effizienz in der digitalen Produktentwicklung zu steigern. Im Folgenden werden die wichtigsten Vorteile im Detail erläutert:
1. Eine einheitliche Sprache
Designer und Entwickler sprechen oft unterschiedliche „Sprachen“, was zu Missverständnissen und fehlerhaften Umsetzungen führen kann. Ein Design System definiert klare Begriffe und legt präzise Gestaltungsrichtlinien fest. Dadurch wird die Kommunikation im Team optimiert und es entstehen weniger Interpretationsspielräume, die den Arbeitsablauf verlangsamen könnten. Mit einheitlichen Vorgaben werden nicht nur Redundanzen abgebaut, sondern auch die Effizienz und Motivation im Team gesteigert – Entscheidungsträger und Kunden erhalten schneller das gewünschte Ergebnis.
2. Besseres Benutzererlebnis
Ein konsistentes und authentisches Benutzererlebnis ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für das Markenimage. Design Systeme sorgen dafür, dass alle digitalen Produkte – ob Websites, Apps oder andere digitale Anwendungen – ein einmaliges, wiedererkennbares und durchgängig hochwertiges Nutzererlebnis bieten. Durch maßgeschneiderte Designvorgaben wird sichergestellt, dass das Branding über sämtliche Kanäle hinweg einheitlich umgesetzt wird. So entsteht ein authentischer und unikaler Auftritt, der die Zielgruppe nachhaltig beeindruckt.
3. Lösung komplexerer Probleme
Ein weiterer wesentlicher Vorteil ist, dass grundlegende Design- und Entwicklungsvorgaben bereits im Vorfeld geklärt sind. Dadurch können sich Webdesigner und Entwickler voll und ganz auf komplexere Herausforderungen konzentrieren, ohne sich um die grundlegende Umsetzung einzelner Elemente kümmern zu müssen. Bereits bestehende digitale Produkte können so optimiert und auf ein höheres Qualitätsniveau gehoben werden. Diese zentrale und einmalige Lösung komplexer Designprobleme kann sich direkt positiv auf den Umsatz auswirken.
4. Schnelligkeit und Umfang
Die Wiederverwendbarkeit von Komponenten und festgelegten Mustern ist ein entscheidender Faktor für die Zeitersparnis bei der Entwicklung neuer Seiten oder Produkte. Durch ein Design System können Entscheidungen schneller getroffen und Designprozesse effizienter umgesetzt werden. Dies führt zu einer optimierten Skalierung der Markenpräsenz im Web, wodurch Wachstum und Markenauftritt in kürzerer Zeit realisiert werden können.
5. Component Driven Design
Komponentenbasiertes Design ist sowohl in der Frontendentwicklung als auch im visuellen Design ein Megatrend. Moderne Frameworks wie React und Vue sowie Tools wie Storybook haben diesen Ansatz populär gemacht und werden in zahlreichen Projekten eingesetzt. Ein Design System integriert diesen komponentenbasierten Ansatz, um modulare, wiederverwendbare und konsistente UI-Elemente bereitzustellen, die den gesamten Entwicklungsprozess unterstützen. Dies ermöglicht nicht nur einen reibungsloseren Workflow, sondern auch eine zukunftssichere Entwicklung digitaler Produkte.
6. Qualität
Durch die zentrale Entwicklung und umfassende Testung von Elementen wird das Rad nicht ständig neu erfunden. Einmal erstellte und getestete Elemente sichern eine hohe, nachhaltige Qualität in der gesamten digitalen Produktlandschaft. Sollte es dennoch zu Problemen kommen, können diese schnell und systemübergreifend behoben werden – ein entscheidender Faktor für ein dauerhaft stabiles und qualitativ hochwertiges Design.
7. Lebendiges System
Design Systeme sind keine statischen Gebilde, sondern entwickeln sich kontinuierlich weiter. Regelmäßige Überprüfungen und Feedbackrunden ermöglichen es, das System an neue technische Möglichkeiten und Marktentwicklungen anzupassen. Ob bei einem Rebranding oder durch die Einführung neuer Interaktionsmöglichkeiten – ein lebendiges Design System passt sich flexibel an und bleibt stets aktuell, ohne dabei seine Grundstabilität zu verlieren.
8. Einarbeitung
Ein weiterer Pluspunkt ist die Erleichterung der Einarbeitung neuer Mitarbeiter und externer Dienstleister. Durch klare Strukturen und einheitliche Vorgaben können sich neue Teammitglieder schnell in das System einarbeiten und effizient mitarbeiten. Dies reduziert nicht nur die Einarbeitungszeit, sondern erhöht auch die Produktivität und stärkt die Zusammenarbeit im gesamten Team.
Mögliche Nachteile eines Design Systems
Wie in jedem Trend gibt es auch bei Design Systemen potenzielle Risiken, die vor einer Entscheidung berücksichtigt werden sollten. Nicht jedes Unternehmen muss diesem Trend folgen, und es gilt, die Nachteile ebenso zu bedenken wie die Vorteile. Hier ein Überblick über die wichtigsten Risiken:
1. Kosten & Zeit
Die Erstellung und kontinuierliche Weiterentwicklung eines individuellen Design Systems erfordert beträchtliche finanzielle und zeitliche Ressourcen. Dieser Aufwand rentiert sich vor allem für große Unternehmen oder Konzerne, die ein gruppenweites, starkes Branding nutzen wollen. Besonders relevant ist dies für Unternehmen mit mehreren Marken, Produkten, unterschiedlichen Standorten oder einer hohen Anzahl an Webseiten und Apps, die effizient skalierbar sein sollen.
2. Knowhow & Teamfähigkeit
Die Implementierung eines Design Systems setzt ein hohes Maß an Fachwissen in den Bereichen Design und Webentwicklung voraus. Entscheidend ist hier die vorausschauende Entwicklung wiederverwendbarer Komponenten und Muster. Zudem muss das Team – bestehend aus Entscheidern, Designern und Programmierern – eng zusammenarbeiten, um die bestmögliche Lösung für das Unternehmen zu realisieren. Unabhängig davon, ob das System intern oder extern entwickelt wird, sollte das erforderliche Knowhow und die Teamfähigkeit gegeben sein.
3. Schulung
Auch wenn ein Design System klare Strukturen bietet, ist eine gezielte Schulung neuer Mitarbeiter unabdingbar. Besonders bei Mitarbeiterwechseln oder der externen Erstellung des Systems ist es wichtig, dass neue Teammitglieder rasch den Überblick gewinnen. Eine effektive Schulung sorgt dafür, dass alle Beteiligten die Regeln und Vorgaben des Systems von Anfang an verstehen und effizient umsetzen können.
4. Zu einheitlich
Ein Design System soll eine einheitliche und konsistente Markenpräsenz gewährleisten. Allerdings können zu starre Richtlinien dazu führen, dass neue Produkte zu sehr dem bestehenden Design ähneln und somit die individuelle Markenidentität verloren geht. Es ist wichtig, das Design System als Rahmen zu verstehen, der genügend Flexibilität lässt, um Unterschiede hervorzuheben und kreative Impulse zuzulassen – ohne dabei die Grundsätze der Konsistenz und Effizienz zu gefährden.
Was beinhaltet ein Design System?
Die Kernfrage, was ein Design System umfasst, lässt sich gut anhand zweier wesentlicher Aspekte beantworten, wie sie Product Design Director Audrey Hacq beschreibt. Ein Design System muss in erster Linie so gestaltet sein, dass es dem Team ermöglicht, effizient zusammenzuarbeiten, um digitale Produkte zu kreieren, zu gestalten und zu realisieren. Als „Single Point of Truth“ dient es als zentrale Informationsquelle, die eine konsistente Designsprache sowie eine dazu passende, effiziente technische Umsetzung sicherstellt. Sobald klar ist, wer zum Team gehört und mit dem System arbeiten soll, können die Inhalte gezielt ausgewählt und optimiert werden.
Typischerweise beinhaltet ein Design System folgende Elemente:
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Styleguides: Diese legen die visuellen Standards und Richtlinien fest, von Farbpaletten und Schriftarten bis hin zu Logo-Nutzung und anderen visuellen Elementen.
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Komponenten: Eine umfangreiche Bibliothek einzelner UI-Elemente (wie Buttons, Dropdowns oder Slider), die durch einheitliche Namenskonventionen, visuelle Beispiele, Beschreibungen und technischen Code dokumentiert sind.
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Pattern: Wiederkehrende Layouts und Design-Muster, die mehrere Komponenten zu konsistenten und wiederverwendbaren Lösungen zusammenfassen.
Diese Bausteine sorgen gemeinsam dafür, dass ein Design System als leistungsfähiges, dynamisches Werkzeug fungiert – es stellt nicht nur die Grundlage für ein einheitliches Branding dar, sondern optimiert auch die Zusammenarbeit im Team und ermöglicht eine schnelle sowie qualitativ hochwertige Umsetzung digitaler Produkte.
1. Foundations
Die Foundations bilden das Fundament eines jeden Design Systems und umfassen im Wesentlichen das Designkonzept sowie sämtliche Elemente eines Corporate Design Styleguides. Je klarer und ausgefeilter diese Grundlagen definiert sind, desto besser kann das Design System seine Wirkung entfalten.
Zu den wesentlichen Bestandteilen der Foundations gehören:
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Design-Prinzipien und Regeln: Hier werden grundlegende Vorgaben definiert – etwa die zu verwendenden Farben, Schriften und der korrekte Einsatz von Logos. Dabei werden auch die besonderen Anforderungen des Webs berücksichtigt, sodass beispielsweise Schriften nicht nur benannt, sondern auch an unterschiedliche Displaygrößen angepasst werden. Ebenso werden Farben präzise in RGB- oder Hex-Werten festgelegt, um eine konsistente Darstellung sicherzustellen.
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Ergänzende Aspekte: Abhängig von den Zielen des Teams können die Foundations auch weitere Richtlinien umfassen, wie:
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Sprache: Tonalität, Anredeformen und die Auswahl der zu verwendenden Sprachen.
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Medien: Klare Regeln für Icons, Fotografien, Grafiken, Videos und andere visuelle Elemente.
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Interaktionen und Animationen: Eindeutige Vorgaben zur Dynamik von Animationen und zu bevorzugten Interaktionsmöglichkeiten.
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Diese Grundlagen können thematisch strukturiert werden – beispielsweise in Prinzipien, Design und Texte – oder nach den Elementen benannt, die sie am stärksten prägen. Eine gut ausgearbeitete Foundation sichert nicht nur das visuelle Erscheinungsbild, sondern schafft auch einen stabilen Rahmen für alle weiteren Elemente des Design Systems.
2. Komponenten
Die Komponenten-Bibliothek bildet das Herzstück eines jeden Design Systems – sie fungiert als Masterdatei, in der sämtliche UI-Elemente zentral zusammengefasst werden. Jede Komponente entspricht einem spezifischen Element der Benutzeroberfläche, das sich an den zuvor definierten Foundations orientiert. Beispiele hierfür sind Buttons, Dropdowns oder Slider.
Im Idealfall wird für jede Komponente Folgendes klar definiert:
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Name der Komponente:
Ein eindeutiger Name, der es allen Beteiligten ermöglicht, dieselbe Sprache zu sprechen und die richtige Komponente in der Produktentwicklung auszuwählen. -
Visuelles Beispiel:
Ein grafisches Abbild der Komponente, das sofort ersichtlich macht, wie sie in der Praxis aussehen soll. -
Beschreibung:
Eine detaillierte Erklärung, wofür die Komponente verwendet werden soll, inklusive typischer Anwendungsfälle und Hinweise zu Dos & Don’ts. -
Status:
Angaben zu empfohlenen Standardwerten, Fallback-Werten und eine Kennzeichnung, welche Felder verpflichtend sind. -
Code:
Der technische Code, der die einheitliche Realisierung der Komponente in Bezug auf Design und Funktionalität sicherstellt und somit die Effizienz in der Umsetzung fördert. -
Frameworks:
Falls Frameworks wie React, Vue oder Angular verwendet werden, werden auch Regeln zur Implementierung dieser Frameworks festgelegt.
Diese präzise Dokumentation und Standardisierung der UI-Komponenten sichert eine konsistente Umsetzung und erleichtert die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Designern und Entwicklern.
3. Muster / Pattern
Muster, auch Patterns genannt, fassen mehrere Komponenten zu vollständigen Layouts oder kompletten Sektionen zusammen. Diese Elemente werden üblicherweise als letzte Bausteine eines Design Systems entwickelt, da sie auf den zuvor definierten Foundations und Komponenten aufbauen.
Obwohl Muster weniger flexibel als einzelne Komponenten einsetzbar sind, zeichnen sie sich durch einen hohen Detaillierungsgrad aus. Sie eignen sich besonders gut für individuelle, auf ein Unternehmen zugeschnittene Elemente oder komplexe Designlösungen, deren Erstellung einen höheren Aufwand bedeutet – dafür aber in der wiederholten Anwendung überzeugen. Muster gewährleisten so eine konsistente, durchdachte Umsetzung in Bereichen, in denen wiederkehrende Designstrukturen benötigt werden.
Design System Varianten
Design Systeme unterscheiden sich nicht nur in ihren Komponenten und Styleguides, sondern auch hinsichtlich ihres Aufbaus und ihrer Flexibilität. Bevor Du ein Design System erstellst oder implementierst, solltest Du die folgenden Fragen berücksichtigen:
Wie streng soll das Design System sein?
Ein Design System ist oft ein Balanceakt zwischen festen Richtlinien und kreativem Freiraum. Einerseits ermöglichen strenge Vorgaben eine konsistente visuelle Sprache und hohe Effizienz – sie geben Designern und Entwicklern klare, unverrückbare Rahmenbedingungen. Andererseits kann zu viel Strenge den kreativen Spielraum einschränken und innovative Ideen unterdrücken. Daher ist es wichtig, den idealen Grad an Flexibilität zu finden, der sowohl die erforderliche visuelle Konsistenz als auch genügend Raum für individuelle Gestaltung bietet.
Wie detailliert soll das Design System sein?
Design Systeme können sich auch im Detailgrad unterscheiden. Es gibt Systeme, die primär auf wiederverwendbare Komponenten setzen, und solche, die umfangreiche Muster (Patterns) beinhalten. Die meisten modernen Systeme kombinieren beide Ansätze: Komponenten bieten Flexibilität und ermöglichen modulare Anpassungen, während Patterns wiederkehrende, spezifische Layouts und Designelemente abdecken, die in bestimmten Kontexten besonders gut funktionieren. Die Entscheidung hängt von den individuellen Anforderungen und der Komplexität der zu gestaltenden Produkte ab.
Wer entwickelt das Design System?
Ein weiterer entscheidender Aspekt ist die Verantwortlichkeit für die Entwicklung des Systems. Dabei stellt sich die Frage, ob die Regeln zentral oder dezentral festgelegt werden sollen. Ein zentral gesteuertes Design System – wie es beispielsweise bei Airbnb der Fall ist – wird von einem dedizierten Team erarbeitet, das einheitliche Standards vorgibt. Alternativ kann ein dezentrales Modell, wie es Spotify mit seinem „Encore“-System praktiziert, gewählt werden. Hier arbeiten die Teams relativ autonom, entwickeln ihre eigenen Komponenten und Patterns und halten sich dabei an übergeordnete Grundlagen wie Farben, Schriften und Animationen. Die Entscheidung für einen zentralen oder dezentralen Ansatz sollte also eng mit der Unternehmenskultur und den internen Arbeitsprozessen abgestimmt werden.
Einführung eines Design Systems
Bei der Einführung eines Design Systems stehen grundsätzlich drei Möglichkeiten zur Auswahl – jede mit ihren eigenen Vor- und Nachteilen:
Übernahme: Bestehende Design Systeme
Bei diesem Ansatz nutzt Du ein bereits etabliertes, öffentlich verfügbares Design System, wie beispielsweise Googles Material Design. Der Vorteil liegt auf der Hand: Du sparst die Kosten und den zeitlichen Aufwand, die mit der Erstellung eines eigenen Systems verbunden wären. Zudem sorgt die häufige Nutzung eines solchen Systems dafür, dass Besucher ein vertrautes Gefühl entwickeln, da sie bereits andere bekannte Marken damit assoziieren.
Allerdings ist der entscheidende Nachteil, dass ein solches System nicht auf Dein Unternehmen oder Deine Marke zugeschnitten ist. Je häufiger ein Design System von vielen Unternehmen verwendet wird, desto weniger wird es Deine individuelle Markenidentität stärken – es besteht die Gefahr, dass Deine Website wie alle anderen aussieht.
Anpassung: Lokale Systeme
Hierbei handelt es sich um die gezielte Anpassung eines bestehenden Design Systems an die spezifischen Anforderungen und das Branding Deines Unternehmens. Durch diese lokale Anpassung kannst Du die Vorteile eines bewährten Systems mit einer individuellen Ausrichtung verbinden. Das Ergebnis ist oft ein hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis, da Du von der bestehenden Infrastruktur profitierst und gleichzeitig Deine Markenidentität schärfst.
Nichtsdestotrotz ist zu beachten, dass nicht jedes bestehende System ideal anpassbar ist. Sollte das vorhandene System zu weit von Deinen Vorstellungen entfernt sein, könnte der Anpassungsaufwand – sowohl zeitlich als auch finanziell – die Neuerstellung eines eigenen Systems übersteigen.
Neuerstellung: Einmalige Design Systeme
Die komplette Neuerstellung eines Design Systems erfordert ein hohes Maß an personellen, zeitlichen und finanziellen Ressourcen sowie fundiertes Fachwissen in Design und Entwicklung. Dieser Ansatz ist dann sinnvoll, wenn besondere technologische Anforderungen bestehen oder wenn der Grad der Individualisierung so hoch ist, dass bestehende Systeme nicht adäquat angepasst werden können.
Die Neuerstellung bietet den Vorteil, dass das System exakt auf Deine spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten wird – von den visuellen Elementen bis hin zur technischen Umsetzung. Dadurch erhältst Du ein maßgeschneidertes Werkzeug, das Deine Marke optimal unterstützt, auch wenn der initiale Aufwand erheblich ist.
Beispiele
Um Dir ein konkretes Bild von Design Systemen zu vermitteln, stellen wir hier einige bekannte, öffentlich zugängliche Systeme vor:
Audi Design System
Audi nutzt ein maßgeschneidertes Design System, das weit über die reine Website hinausgeht – es kommt auch in verschiedenen Apps des Kundenservices zum Einsatz. Das System integriert nicht nur visuelle Komponenten, sondern umfasst auch eine eigene Icon-Bibliothek und spezifische Vorgaben zu Animationen, Corporate Branding, Corporate Sounds und Motion Branding. So wird ein systemübergreifendes, ausbalanciertes Nutzererlebnis gewährleistet.
Polaris – Shopify Design System
Shopify stand vor der Herausforderung, mehr als 300 UX-Designer zu koordinieren, ohne eine einheitliche visuelle Sprache zu besitzen. Mit Polaris wurde ein Design System entwickelt, das den Workflow von Designern und Entwicklern optimiert. Neben einem konsistenten Styleguide integriert Polaris auch detaillierte Richtlinien für Content und bietet hilfreiche Tutorials, die den Start erleichtern.
Googles Material Design
Material Design ist ein Open-Source Design System, das von Google entwickelt wurde und eine hervorragende Zusammenarbeit zwischen Designern und Entwicklern fördert. Insbesondere für Android-Produkte konzipiert, wird das System kontinuierlich weiterentwickelt – etwa mit der Einführung von „Material 3“, das dynamische Farben, verbesserte Barrierefreiheit und Lösungen für große Bildschirme bietet. Die Dokumentation gliedert sich klar in die Bereiche Foundation, Styles und Components.
Carbon Design System von IBM
IBM setzt mit Carbon auf eine umfassende und ästhetisch ansprechende Design-Sprache, die in Ressourcen für die Erstellung digitaler Erlebnisse übersetzt wird. Neben Tokens und Komponenten enthält Carbon eine Sammlung von Vorlagen und Anleitungen, die die Visualisierung von Daten unterstützen. Das System arbeitet mit einer Vielzahl von Design Tools wie Figma, Sketch, Adobe XD und Axure und ist als Open-Source Bibliothek für verschiedene Frameworks (React, Vue, Angular, Svelte) verfügbar.
Porsche Design System
Porsche nutzt ein eigenständiges Design System, um hochwertige und markenkonforme Web-Apps zu realisieren. Das System richtet sich vor allem an interne Designer und Entwickler und bietet eine breite Unterstützung für verschiedene Frameworks. Technisch gesehen ermöglicht es die Entwicklung von Jamstack-Sites mit React, Angular, Vanilla JS und Next.js – ein Beleg für die hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit des Systems.
Atlassian Design System
Atlassian zählt zu den Unternehmen, die stark auf ein umfassendes Design System setzen, um die interne und externe Zusammenarbeit zu optimieren. Mit einer stetigen Weiterentwicklung, der Einführung neuer Komponenten und kontinuierlich optimierten Dokumentationen unterstützt das System sowohl das Team als auch externe Partner in ihrer täglichen Arbeit.
Uber Design Systeme
Uber hat mit dem universellen System „Web Base“ eine Lösung geschaffen, die hunderte interner Webanwendungen vereinheitlicht. Web Base ist ein Open-Source Design System mit einer React-basierten Komponenten-Bibliothek, das eine konsistente Design-Sprache über alle Anwendungen hinweg sicherstellt und somit die Effizienz und Einheitlichkeit steigert.
Apple Design Systeme
Apple bietet mit den Human Interface Guidelines ein Design System, das speziell für die nahtlose Integration von Apps und Spielen in das Apple-Ökosystem entwickelt wurde. Unterstützt durch die integrierte Entwicklungsumgebung Xcode, stellt dieses System sicher, dass neue Produkte optimal in die bestehende Plattform eingebettet werden – eine Win-win-Situation für Entwickler und Nutzer.
Fazit – Dynamisches Ökosystem für nachhaltiges Branding
In einer Welt, in der digitale Geräte und das Web untrennbar mit unserem Alltag verbunden sind, ist ein starkes, konsistentes Design System unerlässlich. Die digitale Landschaft wächst täglich – mit immer mehr Inhalten, Services und digitalen Produkten. Für Unternehmen, die sich in diesem dynamischen Umfeld behaupten und ihre Zielgruppe nachhaltig beeindrucken möchten, bieten Design Systeme den entscheidenden Wettbewerbsvorteil.
Ein durchdachtes Design System ermöglicht nicht nur ein einheitliches Branding und optimierte Arbeitsabläufe, sondern schafft auch ein flexibles, sich ständig weiterentwickelndes Ökosystem – weit mehr als nur eine statische Sammlung von Regeln und Elementen. Wie Karri Saarinen, Principal Designer von Airbnb, treffend formuliert, sollte eine einheitliche Designsprache als lebendiges System verstanden werden, das sich kontinuierlich an neue Herausforderungen und technologische Möglichkeiten anpasst.
Welches Design System für Dein Unternehmen am besten geeignet ist, hängt von Deinen spezifischen Zielen und Deiner Unternehmenskultur ab. Ob Du Dich für die Übernahme eines bestehenden Systems, die Anpassung an Deine lokalen Bedürfnisse oder die Neuerstellung eines maßgeschneiderten Systems entscheidest – eines steht fest: Mit einem starken Design System legst Du den Grundstein für effiziente, hochwertige und markenkonforme digitale Produkte.